Das Ziel – moksha, samadhi, samarasa

 „Der Zustand eines Menschen, der das religiöse Ziel des Tantrismus verwirklicht hat, kann folgendermaßen gekennzeichnet sein:
Er hat die Einheit, die zwischen Mensch und Kosmos besteht, erkannt.
Er hat den männlichen und weiblichen Aspekt der einen Wirklichkeit in sich vereint.
Sein Bewusstsein erfährt keine von ihm getrennten Objekte mehr.
Er erfährt sich in vollkommener Einheit mit anderen Menschen
Er hat Macht und Vollkommenheit in Bezug auf seinen Körper und auf übernatürliche Fähigkeiten erreicht.
Er hat sich mit seiner Gottheit vereint oder ist zu ihr geworden
Er hat das höchste Prinzip verwirklicht, ist selbst zu diesem Prinzip geworden.
Er muss nicht mehr wiedergeboren werden.„ (Hubert Pfau, Tantra, S. 29)

Das Ziel des Tantra ist das Erreichen eines Zustands, der frei von Täuschung und Verhaftetsein ist.
Dieser Zustand ist nicht gefühlsneutral, sondern  überaus euphorisch, nicht vorübergehend, sondern dauerhaft. Der ganze Mensch soll zur Essenz des Absoluten werden, was bedeutet in völliger Einheit mit der Welt zu sein und sich als das alles zu begreifen.
Mit diskursivem Denken ist dieser Zustand nicht beschreib- oder vermittelbar, Man nennt ihn auf Sanskrit Samarasa, Eliade hat dafür den Ausdruck „Enstase“ versucht.

Aus der Sicht westlicher Beobachter können die Ergebnisse eines solchen Weges laut Ajit Mookerjee noch am ehesten mit der „Enstase“ verglichen werden, von der Teilnehmer an LSD-Experimenten berichten, die von  Grof u.a. geschildert werden.
Dabei ist festzustellen, dass der Yogi diese Ergebnisse ohne Hilfsmittel erzielt, fest in sich ruht und eine stabile Stufen-Erfahrung hat, im Gegensatz zum Drogen-Adepten, dessen Erfahrung künstlich und vergänglich ist, wenn auch vielleicht aufrüttelnd und ihm den spirituellen Weg erst ebnen mag.

Wenn gleichzeitig der Geist bis in die irdische Tiefe reicht, bis zu erdgebundenen Handlungen und auf der anderen Seite immer in Verbindung mit dem Höchsten steht, dann ist der seltene Zustand des Sahaja-Samadhi erreicht, wie er sich für die Nath als Ziel auftut.
Bei den Siddhas geht das einher mit der Erlangung eines unsterblichen (Energie-)Körpers auf einer höheren Ebene.

Voraussetzung für das Erreichen dieser Zustände ist in der Regel die Erweckung der Kundalini-Kraft, die ich als das zentrale Ziel tantrischer Praxis bezeichnen würde, was Tanatra auch von den meisten anderen spirituellen Rcithugnen unterscheidet.

Zwischenziele: die Siddhis

Als indirektes Ergebnis der Tantra- und Yoga-Übungen können die Siddhis, übernatürliche Kräfte, gelten. Dazu gehören die Kraft, unendlich klein oder unenedlich groß zu werden, die Levitation, die Fähigkeit, die Seele in jemand anderen eintreten lassen, aber auch weltliche Siddhis wie Hellsehen oder Regenmachen.
Während andere Traditionen die Siddhis als Hindernisse auf dem Weg zu wahrer Befreiung begreifen, gibt es im Tantra ein gewisses Interesse an den magischen Qualitäten. Der Besitz solcher Fähigkeiten gilt hier als Zeichen, dass jemand die angestrebte Vollkommenheit tatsächlich erreicht hat. In der in der indischen Volksgläubigkeit sind die Tantriker vor allem als Magier mit Siddhis bekannt, geachtet und oft auch gefürchtet.