Pancha-Tattva

Aus Sicht des Orientalisten Helmut Uhlig ist das Pancha-Tattva ein Art Urritual und gleichzeitig ein erster Höhepunkt tantrischer Praxis. Es sei in dieser Form wahrscheinlich aus den prähistorischen Riten des sakralen Geschlechtsverkehrs hervorgegangen, die wir als Hierogamie bezeichnen.
Im Pancha Tattva kommt es zum Genuss der fünf M, die allesamt Tabus der brahmanischen Religion darstellen. Außerdem kommt noch der Genuss von Cannabis indica dazu, der aber in diesen Breiten nicht tabuisiert zu sein scheint.
Ort des Rituals ist ein ruhiger Platz an einem Fluss, ein Haus oder das Grab eines Heiligen
18 festlich gekleidete Personen nehmen Teil sowie ein Ritualleiter und ein Brahmane,
Die auserwählte Shakti, meist eine Jungfrau, wird entkleidet und von eingeweihten Frauen mit verschiedenen Ölen gesalbt, bekommt einen roten Punkt zwischen den Brauen und einen roten Strich vom 3. Auge bis zum Öffnung der Yoni.
Nun tritt der Brahmane heran und berührt ihre Yoni mit einem Phallussymbol, um die ursprüngliche androgyne Einheit zu symbolisieren, während der Ritualleiter Weihwasser versprüht und Mantras spricht, während die Teilnehmer mit Handglocken Musik machen und Weihrauch anzünden.
Die nackte Shakti tritt nun in die Mitte des Kreises. Die Gruppe verinnerlicht ihre Nacktheit als Präsenz des Göttlichen. Sie zeigt schließlich ihre Yoni, die von den Menschen mit Blumen, Salben und Mantras verehrt wird. Endlich empfängt sie den Brahmanen, der ein tantrischer Meister ist und das Vereinigungsritual ganz im Sinne der Vorschriften vollzieht.
Nach der Vereinigung zeigt die Shakti ihre nun geöffnete Yoni mit dem Sperma des Meisters als Verkörperung der Göttin und Weltenmutter, dass die Anwesenden in tiefe Verehrung fallen.
Danach findet eine meist geheiligte, zuweilen zügellose Orgie zwischen den Beteiligten stattRitual des Yoni-Tantra

Yoni-Puja

Ein kulturgeschichtlich wahrscheinlich älteres und ursprünglicheres Ritual ist die Yoni-Puja, das in der Kaula-Tradition ausgeübt wird; dort stützt es sich auf die Schrift des Yoni-Tantra. Überliefert ist diese Ritual von Andre van Lysebeth.
Diese Puja soll in Anwesenheit des Guru oder Lehrers vollzogen werden.
Die zu verehrende Yogini soll folgende Merkmale aufweisen: eine hohe sexuelle Erregbarkeit, sie soll keine falsche Scham kennen und „geliebt werden“
Zu Beginn stellt sich die Shakti in die Mitte des Yantra, eines Dreiecks, um das ein Kreis gezogen ist). Dann überreicht ihr der Sadhaka ein Aphrodisiakum, wahrscheinlich bhang.
Nach einem einleitenden Ritual aus Mantras und Bijas setzt sich die Yogini auf den Schenkel des Adepten, der ihrer Yoni huldigt. Die Yoni mit wird mit Sandelholzpaste geweiht, mit der sich der Sadhaka dann ein Mal auf die Stirn malt.
Dann berührt es mit beiden Händen ihre Brüste und rezitiert 108-mal das Mantra hrim.
Dann fährt er mit der Erregung der Shakti fort, die dann ihrerseits den Lingam des Sadhakas verehrt.
Dann führt er den Lingam ein und Maithuna wird vollzogen. Im Idealfall sollte es eine Meditation über die Schöpferkraft und kosmische Energie sein und keine gewöhnliche Form der Sexualität.
Nach der Vereinigung legt sich die Yogini auf den Rücken und bietet ihre Yoni der Verehrung dar. Der Sadhaka setzt einen Bindu mit Vaginalflüssigkeit auf die Stirn der Partnerin und auf die eigene Stirn.
Zum Abschluss erfolgt dann die gemeinsame Verehrung des Guru.

Diese Puja sollte täglich ausgeführt werden (!)Aus diesem Grund scheint es ein Ritual zu sein, das innerhalb einer Partnerschaft stattfindet. 

Ein vereinfachtes Ritual für die heutige Zeit
schlägt Swami Janakananda vor.

1. Der Raum sollte gereinigt und mit Räucherstäbchen ausgestattet sein.
2. Zubereitung des Essens und der Blumen, die beim Ritual Verwendung finden.
Das Essen besteht aus Wein, Fleisch, Fisch und geröstetem Getreide. Wein kann durch Kokosmilch ersetzt werden, Fleisch durch Tofu oder Ingwer, Fisch durch Radieschen. Die Blumen symbolisieren den Sexualakt, in dem es zum Aufstieg der weiblichen Kraft ins Sahasrara und zur Vereinigung mit Shiva kommt.
3. Die Ritualpartner baden zusammen. Shakti wird mit verschiedenen Ölen parfümiert.
4. Der Raum und das Haus werden geweiht und gereinigt, indem man Wasser verspritzt und Mantras rezitiert. Das Mantra Am hrim krom hamsah soham wird elfmal wiederholt: zum Haus, zur Umgebung, zum Raum, den Anwesenden, den Speisen, dem Wein, zu den vier Himmelrichtungen, nach oben und nach unten.
Dann taucht man die Finger in die Karaffe und verspritzt etwas Wasser mit dem mantra „Svaha“ (ich opfere). Dann werden Blumen ins Wasser getaucht und auf die Speisen, den Wein und die Anwesenden geworfen. Das macht man so lange, bis man sich ohne Vorbehalte ans Ritual hingeben kann.
5. Shakti setzt nun mit rotem Kumkum-Pulver ein rotes Zeichen auf die Stirn der Anwesenden und erhält selbst ein solches Zeichen.
6. Danach praktizieren die Anwesenden einfache Yoga-Übungen und eine So-Ham-Meditation. Mit Hilfe des Mantras Am hrim krom hamsah soham soll über den eigenen Körper meditiert werden und als in Licht getaucht erlebt werden.
7. Der Ritualleiter zeichnet mit Wasser ein Yantra auf den Boden, wo sich das Paar vereinigen wird.
8. Shakti weiht den Wein mit Hilfe des Wassers und der Blumen. Sie schnekt den Wein an die Anwesenden aus.
Sie setzt sich ins Zentrum auf den Oberschenkel von Shiva. Sie füttern einander mit den Speisen und dem Wein.
9. Shakti und Shiva sitzen nackt voreinander, betrachten einander lange und ausführlich, bleiben dabei entspannt, und bereiten sich innerlich auf den Akt vor.
10. Der Akt kann entweder spontan und ungehemmt erfolgen, in völliger Hingabe zu den Gottheiten, oder aber er findet in einer sexuellen Yoga-Position (Frau sitzt auf Mann) statt. Im zweiten Fall sollten die Körper regungslos verweilen, bis die Energie abklingt, das sollte aber mindestens eine halbe Stunde andauern.
11. Dieses Ritual sollte allein oder in der Gruppe oft wiederholt werden, bis man sich daran gewöhnt hat.

Ein sexuelles Ritual im buddhistischen Tantra

Das Guhya-Vajra-Vilasini-Sadhana wurde von Shabara verfasst, der als einer der 84 Mahasiddhas gilt. Er war Jäger, wurde von einem tantrischen Yogi (die Legende sagt, der Buddha des Mitgefühls Avalokiteshvara selbst) belehrt und praktizierte dieses sexuelle Sadhana mit seiner Gefährtin Shabari.
Dieses Sadhana ist besonders schön und für ein yogisches Paar konzipiert.
Zur Vorbereitung schmücken sich beide im Stil der Gottheiten. Die Frau wird zur Göttin Vilasini, der göttlichen Lustfrau, der Mann zum dazugehörigen Padmanarteshvara, der Herr des Lotustanzes.

Das Sadhana beginnt mit der meditativen Entfaltung der vier Kostbarkeiten (Liebe, Mitgefühl, Mitfreude, Gleichmut) und dem rituellen Verlassen störender Emotionen: genannt sind Scham, Hektik, Gier, Kleinlichkeit, Konkurrenz und Zweifel.
Die Gefährten sitzen sich nackt, mit geöffnetem Haar, gegenüber. Er zeichnet mit Safran und roter Sandelpaste ein Mandala auf ihre geöffnete Yoni. Dazu wird das Mantra „e“ rezitiert als Ausgangspunkt des Erwachens.

Man begibt sich selbst in den Zustand der Leerheit und rezitiert das „Om shunyata jnana vajra svabhava atmako ham“ – Om, in mir ist das Wesen der unzerstörbaren Erkenntnis der Leerheit, was ein beliebtes und wesentliches Mantra des tantrischen Buddhismus ist.

Dann folgt das Setzen der Mantrasilben – also nyasa: an der Stirn em, am Mund jhim, am Herzen rim, am Nabel rum, an Lingam/Yoni vrim, um die Verbundenheit mit der Buddhanatur anzudeuten und die fünf skandhas als die fünf Dhyani-Buddhas mit den entsprechenden Göttinnen zu visualisieren.

Aus einem komplizierten und vielschichtigen Visualisationsprozess entsteht die Yogini nun als Göttin mit den Attributen Dolch und Schlinge, zur gleichen Zeit entsteht der Yogi als Herr des Lotustanzes mit Vajra und Lotus als Attributen.
Jetzt wiederholt sich die gegenseitige Weihe der Körper auf einer neuen Ebene – wenn die Göttlichkeit vorher vorweggenommen wurde, wird sie jetzt erlebt und bestätigt. Ihre gegenseitige Verehrung wird auch in Liedern ausgedrückt.

Dann vereinigen sich die „Götter“ im Liebesspiel mit der Vorstellung, dass die Mantrakette der Göttin mit dem Atem durch ihre beide Körper kreist. Dieser Yoga, der das „wiegende Mantrasprechen“ heißt, soll zu einem „Eintauchen ins Meer des Erwachens“ führen: die hier gleichzeitig erlebte Leerheit und Wonne führt zur Stille des Erwachens.